Geschichtlicher Rundgang Magolsheim

Spuren der Geschichte im Herzen der Rauhen Alb

Geschichtlicher Rundgang Magolsheim

Magolsheim wurde 1268 erstmals schriftlich erwähnt. Als Haufendorf hat sich die Siedlung in und um ein kleines Maar des Schwäbischen Vulkans entwickelt, von dem ein Schlot hier unter der Ortsmitte liegt. Die wasserhaltenden Schichten des Basalttuffs ließen zwei Hülen entstehen, von denen die größere bis Mitte des 20. Jahrhunderts bestand. Auch mehrere Brunnen werden dadurch gespeist. Die Herrschaft über den Ort, der im Mittelalter aus 24 Bauerngütern bestand, war in der Frühen Neuzeit zwischen dem Herzogtum Württemberg (ein Drittel) und den Herren von Stadion zu Magolsheim (zwei Drittel) geteilt. Während die Ritter – und damit ihre Untertanen – katholisch blieben, reformierte Württemberg 1594 seinen Teil. Seit dieser Zeit gib es auch in Magolsheim zwei Konfessionen und damit auch zwei bürgerliche
Gemeinden. Dieser für das Dorf prägende Zustand hielt auch nach dem vollständigen Übergang an Württemberg 1743 an. Erst nach 1806 wurde die Gemeindeverwaltung nach Konfessionen aufgehoben.
Die mit 1258 Hektar ursprünglich recht große Gemarkung verlor durch den 1895 eingerichteten Truppenübungsplatz Münsingen erheblich an Fläche und hat heute ein Größe von rund 700 Hektar. Seit 1.1.1975 ist Magolsheim ein Stadtteil von Münsingen und hat rund 400 Einwohner.

Die Stationen des Magolsheimer Rundgangs

1. Ehemaliges Molkereigebäude und Feuerwehrgerätehaus

Die 1889 gegründete und bis 1980 bestehende Molkereigenossenschaft sollte den rund 100 Bauernhöfen im Ort neue Absatzwege erschließen und errichtete 1890 mitten im Ort dieses – zunächst in der Schergasse geplante – Molkereigebäude aus Tuffstein. Die Gemeinde beteiligte sich an dem Bau mit zwei Remisen unter demselben Dach für die Feuerspritze und stellte das Gelände zur Verfügung. Die kleinere der beiden Hülen wurde für den Bau verfüllt. Nach der Auflösung der Genossenschaft ging das Gebäude ins Eigentum der Stadt über, die es als Gruppenraum der Freiwilligen Feuerwehr zur Verfügung stellt. 2017 wurden die bis dahin symmetrischen Tore verändert, um ein neues Löschfahrzeug unterbringen zu können.

2. Backhaus

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Der Brandschutz sorgte für die „Geburt“ der schwäbischen Backhäuser: 1808 verordnete der König den Gemeinden, dass „Commun-Backöfen“ zu errichten seien, um die vielen, brandgefährlichen privaten Backöfen zu ersetzen, die in Gärten sowie an und in Häusern betrieben wurden. Das Magolsheimer Backhaus wurde von der Gemeinde 1839 errichtet und bis in die jüngste Zeit immer wieder erneuert um es in Betrieb zu halten. Beim Bau richtete man im Dachgeschoss zudem eine Arrestzelle ein – eine solche ist schon 1599 im Ort erwähnt. Neben das Backhaus kam 1991 ein Buswartehäuschen, in dem seit 2016 ein Bücherregal zum Lesen einlädt und die Wartezeit verkürzt.

3. Fruchtkasten

Der ca. 40 Meter lange „Fruchtkasten“ ist das älteste Gebäude des Ortes. Sein Name weist auf die frühere Funktion als Speicher für die Abgaben der Untertanen an die Herrschaft. Unmittelbar am Schlossberg gelegen, gehörte der Fruchtkasten zum engeren herrschaftlichen Bezirk mit Schloss, Kirche und Wirtschaftsgebäuden. Er bildete den Kern der herrschaftlichen Eigenwirtschaft, den Herrenhof, auf dem die Untertanen auch Frondienste zu leisten hatten. Das Gebäude ist in drei Teile gegliedert: Links, unmittelbar unterhalb des Rathauses (ehem. Schloss), befindet sich der jüngste Teil von 1840 (Bauteil C), der gebaut wurde als sich das Anwesen zu einem privaten Bauernhof gewandelt hatte. Mittig liegt der älteste Bauteil (B), im Kern ein massives Steinhaus aus dem Jahr 1320, das damals bereits als Fruchtspeicher diente. Bauherren waren die Truchsessen von Magolsheim als Ortsherren. Bauteil A (rechts) schließlich wurde 1588 von den Herren von Stadion als Wohnbau, vermutlich für den Amtmann für die herrschaftlichen Güter, errichtet. Von 1987 bis 1993 wurde der Fruchtkasten vom heutigen Eigentümer umfassend saniert und restauriert und so vor dem Abriss bewahrt.

4. Rathaus

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Als Württemberg 1743 die Herrschaft über den ganzen Ort kaufte, war für das aus dem Mittelalter stammende Schloss – bis dahin Sitz der ritterschaftlichen Ortsherren – das Ende gekommen. Das von den Truchsessen von Urach wohl um 1300 errichtete, vermutlich einem Wohnturm ähnelnde Gebäude, musste 1753 einem Amtshaus für den württembergischen Förster weichen. Damit wurde der Herrschaftswechsel zu Württemberg auch sichtbar vollzogen. Dieses Amtshaus wurde 1841 von der Gemeinde und den beiden Kirchenpflegen erworben und danach zum Rathaus und zum Schulhaus für beide Konfessionen (mit zwei getrennten Schulsälen) umgebaut. Noch heute ist das Gebäude im gemeinschaftlichen Eigentum der Evangelischen Kirchengemeinde (1/3) und der Stadt und dient unter
anderem als Sitz der Ortsverwaltung. Das Rathaus findet sich seit 1930 auch im Wappenbild der früheren Gemeinde Magolsheim. Das einst vorhandene Glockentürmchen ist abgebaut worden.

5. Evangelische Kirche

An der Stelle der jahrhundertelang von beiden Konfessionen genutzten und 1863 eingestürzten Kirche errichtete die Evangelische Kirchengemeinde 1870/71 ein eigenes Gotteshaus am alten Platz im Kirchhof auf dem Schlossberg. Der Münsinger Amtsbaumeister Matthäus Bosler (1825-1878) schuf den neoromanischen Tuffsteinbau mit Turm auf der Westseite, der drei Glocken trägt (eine von 1440). Bald darauf wurde auch der Zugang zu Kirche und Friedhof neu gestaltet. Im Inneren finden sich noch Teile der mittelalterlichen Kirche: ein Wappengrabstein der Truchsessen von Magolsheim in der Sakristei sowie in den Wänden des Chors das Grabmal der Maria Cleophe von Freyberg und der Rest des Grabmals des Ortsherren Rudolf von Baldeck (+1565). Taufstein und Kruzifix stammen ebenfalls aus der alten Kirche.

6. Friedhof und Schlossgarten+

Schloss, Kirche mit Kirchhof und der Fruchtkasten bildeten mit dem hinter dem Rathaus liegenden Schlossgarten ein von einer Mauer umfriedetes herrschaftliches Ensemble. Auf der Friedhofsmauer und im Schlosshof standen bis Ende des 19. Jahrhunderts mehrere Gebäude, die einst für die Eigenwirtschaft der Schlossherren gebaut worden waren, so beispielsweise eine Pfisterei (Bäckerei). Die Schlossmauer mit Rondell diente wie die Kirchhofmauer weniger der Verteidigung als der Repräsentation und dem Schutz des herrschaftlichen Gartens vor Kleinvieh und Wild. Der Friedhof wird heute zwar kommunal verwaltet, ist aber nach wie vor Eigentum der beiden Kirchengemeinden. 1974 wurde eine Leichenhalle errichtet, an ihrer Stelle war bis Ende des 19. Jahrhunderts der Zugang zum Kirchhof durch ein Tor. Das 1963 eingeweihte und 1974 beim Bau der Leichenhalle an diese Stelle versetzte Kriegerdenkmal ist ein Werk von Hans Dieter Bohnet (1926-2006), dessen Vater hier Lehrer war. Auch die Stele daneben, das hierher versetzte Grabmal seiner Eltern, schuf dieser bedeutende Künstler.

7. Bürgerzentrum

1606 errichtete Württemberg für seinen Herrschaftsteil das erste evangelische Schulhaus, 1699 folgte ein katholisches. Zwischen 1841 und 1959 wurden die Schulsäle im Rathaus genutzt, bis die Gemeinde – am damaligen südlichen Ortsrand – ein neues Schulhaus mit Gymnastikraum und Lehrerwohnhaus (rechts) baute. 1973 kam mit der Schulentwicklungsplanung das Ende für die örtliche Grundschule. In dem Gebäude wurde 1974 der Kindergarten eingerichtet. Im Jahr darauf gingen die Gebäude mit der Gemeindereform an die Stadt Münsingen über. Dorfentwicklung und Flurbereinigung
(1969 vorbereitet, 1975 begonnen und 1994 abgeschlossen) ergänzten das Ensemble um einen Festplatz mit Grillstelle. Das ehemalige Schulhaus wurde 2009 zum Bürgerzentrum umgebaut und bietet neben dem Kindergarten auch Raum für Vereine und Veranstaltungen für bis zu 120 Personen. Der sitzende Bär vor dem Gebäude wurde von Hans Dieter Bohnet (1926-2006) für die Schule geschaffen.

8. Kapelle

Die inschriftlich 1515 geweihte und nach einem Wappenrelief vom damaligen Ortsherrn Ulrich von Grafeneck gestiftete Kapelle am Weg nach Ingstetten ist ein schlichter spätgotischer Bau und war vermutlich stets die einzige Kapelle auf Magolsheimer Markung. Der kleine Glockenturm, von einem Lothringer Kreuz gekrönt, erhielt 1988 eine kleine Glocke gestiftet. Es handelt sich sehr wahrscheinlich um eine Marienkapelle, auch wenn das Patrozinium in früherer Zeit nie genannt wird. Der barocke Altar mit Mariendarstellung stammt möglicherweise von einem anderen Gotteshaus. Der steinerne Altartisch wurde ca. 1968 aus einem Göpelstein gefertigt, der vom Hof Heideker (ehem. Breitebauer, Ingstetter Str. 2) stammte; ein Göpel diente dem Antrieb von Maschinen mit Hilfe von Pferden oder Ochsen.

9. Katholische Kirche

Als die mittelalterliche, simultan von beiden Konfessionen genutzte Kirche auf dem Schlossberg 1863 teilweise eingestürzt war, beschlossen die beiden Kirchengemeinden nach siebenjährigem Ringen ihr bisher gemeinsames Vermögen zu trennen und jeweils eine eigene Kirche für ihre Gläubigen zu bauen. Die Katholiken ließen 1870/71 auf einem Teil des ihnen überlassenen Pfarrgartens den Architekten Louis de Millas (1808-1890) eine neogotische Kirche errichten, die das Patrozinium St. Dionysius der alten Kirche übernahm. Am 29. März 1935 wurde dieses Gotteshaus durch einen verheerenden Brand nach Blitzschlag völlig zerstört. Unmittelbar danach begann der Neubau, der 1936 bereits geweiht wurde. Vor allem der Turm wurde umfassend neu gestaltet. Von herausragendem Rang sind die
von Wilhelm Geyer (1900-1968) geschaffenen Fenster, als frühestes Bleiglaswerk dieses Ulmer Künstlers. Der Aufgang zur Kirche zweigt vom „Spritzenberg“ (Hardtweg) ab, der seinen Namen nach dem Gemeinde- und Spritzenhaus trägt, das den leeren Platz auf der Straßeninsel einnahm.

10. Katholisches Pfarrhaus

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Das 1903 erbaute, denkmalgeschützte katholische Pfarrhaus wurde an der Stelle einer mittelalterlichen Pfarrscheuer errichtet. Sein 1823 statt des alten Pfarrhauses erbauter Vorgänger stand ungefähr hier gegenüber vom Gasthof Rössle. Die Jugendstilvilla ist umgeben vom Pfarrgarten, der schon im Mittelalter zur Ausstattung der Pfarrei zählte, aber erst im Lauf der Zeit seine heutige Größe erreichte. In der Nordostecke, an der Stelle der Garagen, stand seit Anfang des 17. Jahrhunderts ein württembergisches Amtshaus, das dem Amtmann und später dem Forstknecht als Wohnsitz diente (daher der
Straßenname „Amtsgasse“). Von 1764 bis 1829 befand sich dort die Gastwirtschaft „Hirsch“ mit Brauerei. Der Pfarrgarten war 1903 zum Teil als Kräuter- und Küchengarten angelegt und ringsum mit
einem schmiedeeisernen Zaun umgeben worden. Heute dient das Haus der Katholischen Kirchengemeinde, die frühere Pfarrwohnung ist vermietet; die Pfarrei Magolsheim wird derzeit von Münsingen aus
betreut.

11. Gasthaus Rössle

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Das spätere Gasthaus wurde nach der Mitte des 16. Jahrhunderts als Witwensitz für die Frau des adeligen Ortsherrn errichtet. 1572 als „Ziegelhaus“ bezeichnet, hob es sich deutlich von den strohgedeckten bäuerlichen Anwesen ringsum ab. Veronika von Stadion, geb. von Schwendi, war die erste Besitzerin des auf herrschaftlichem Grund gebauten Hauses, das bald „Reuterhaus“ genannt wurde – vermutlich ein Hinweis auf die adligen Bewohner. Walter de Heures, der Erbe der stadionischen Güter im Ort, verkaufte das Haus 1667 an den Bierbrauer Jacob Hainlin aus Bayern, der die lange Tradition des Hauses als Gastwirtschaft und Brauerei begründete. Eigenes Quellwasser im Keller bot dafür die Grundlage. Mit Franz Aigner begann 1830 die bis 2006 reichende Reihe der Wirts- und Brauereifamilie Aigner. Im 19. Jahrhundert wurde ein Eis- und Bierkeller außerhalb des Ortes gebaut (1820 belegt, 1843 erneuert), außerdem 1810 ein eigenes Brauhaus (seit 1965 Gästehaus). 1910
erhielt das Haus einen Anbau.